Neuss-Grevenbroicher Zeitung - Samstag, 24. September 2005 - Seite C6

 

VON MARKUS FRÄDRICH

 

NEUSS „Jesus Christ, You are My Life“: Wann immer dieses Neue Geistliche Lied während des Weltju­gendtags in Köln intoniert wurde, brannte lautstarker Jubel auf, Das eingängige Mottolied des vorletzten Weltjugendtags in Rom rief bei vielen Pilgern Erinnerungen wach. Kaum einer, der sich dem charismatischen Ohrwurm von Marco Frisina entziehen konnte. Die stimmungs­volle Einprägsamkeit der Melodie mag den finnischen Organisten Markus Wargh in der Dreikönigenkirche dazu bewogen haben, „Jesus Christ, You are My Life“ als Thema für seine viertelstündige Abschlussimprovisation zu wählen, Schlicht und dezent stellte er die synkopische Melodie vor, bevor er die rund 20 Zuhörer auf eine Klangreise mit­nahm, wie sie farbenprächtiger und phantasievoller nicht hätte sein kön­nen. Mit ausladenden Läufen, die sich geschickt von Tonart zu Tonart hangelten, und majestätisch-hämmernden Mixturen ebnete er dem Thema seinen Weg, schuf einen pulsierenden, musikalischen Strudel, der sich mal aufbrausend empor reckte, mal versonnen inne hielt. „Jesus Christ, You are My Life“, um­geben von sprudelnden und pasto­ralen, verspielten und rigorosen Klangkaskaden: Eine Themenverar­beitung, die jede Nuance und Facet­te der 2002 umgebauten Klais/Wal­cker-Qrgel auskostete und der man noch stundenlang hätte zuhören können.

Markus Wargh, der seit dem 18. September auf Einladung der Deutsch-Finnischen Gesellschaft durch Deutschland tourt, ist für sein Improvisationstalent bereits mehr­fach ausgezeichnet worden. Auch in Neuss entstand gut die Hälfte seines Konzertprogramms „spontan“: Ne­ben der bereits erwähnten Themen­improvisation, machte er mit zwei stimmungsvollen Klangcollagen ohne besondere Vorgabe auf sich aufmerksam. Ein brausender Herbststurm? Ein prasselnder Regenschauer? Ein stürmisches Meer? Warghs vielseitige musikalische Eingebungen — mal abstrakt-avantgardistisch, mal tief-romantisch ineinander verwoben — luden bei geschlossenen Augen zu zahlreicher Assoziationen ein.

Gegen diese leuchtenden Gemäl­de schien das „normale“ Konzertprogramm fast ein wenig blass. Sicher, auch Alexandre Guilmants be­rühmten Marsch über ein Händel-Thema in F-Dur spielte Wargh ge­konnt und hörenswert, mit hoher Transparenz im mittleren Fugenteil und schreitender Grazie im Finale, Bachs zweite c-Moll-Sonate mit ih­ren lebhaften Ecksätzen und ihrem ruhigen Mittelteil, das Concerto in d-Moll von Bach/Vivaldi: alles stim­mig und präzise, aber nichts Neues, weil schon häufig auf diesem Niveau gehört. Anders als Markus Warghs Improvisationen. So etwas Ein­drucksvolles hört man nicht oft.