Passionsmusik

in Hl. Dreikönige Neuss

Sonntag, 28. März 2004, 17.00 Uhr

 

Francisco Correa de Arauxo (um 1583 - 1654)

Tiento y Discurso de tercer tono (III)

aus: Libro de Tientos y Discursos de Música Práctica y Theórica de Organo intitulado Facultat Orgánica (Alcala 1626)

 

Ercole Bernabei (um 1620 - 1687)

Heu miseram et infelicem

 

Jean Titelouze (um 1562 - 1633)

Annue Christe (1er verset - 2e verset - Amen)

aus: Hymnes de l‘eglise pour toucher sur l‘orgue, avec les fugues et recherches sur leur plain-chànt (Paris 1623)

 

François Couperin (1668 - 1733)

Leçons de Ténèbres I

 

Manoel Rodrigues Coelho (um 1555 - um 1635)

Segundo Tento do mesmo tom (V)

aus: Flores de Musica pera o Instrumento de Tecla, & Harpa (Lissabon 1620)

 

François Couperin (1668 - 1733)

Leçons de Ténèbres II

 

 

Tiento y Discurso schrieb Correa de Arauxo über die dritte Komposition in seinem 1626 erschienenen Orgelbuch. Tiento meint dabei den vierstim­migen polyphonen, kontrapunktischen Satz, bei dem die beiden Themen in allen Stimmen in immer neuen Variationen durchgeführt und bearbeitet werden, durchgängig in einer endlosen Kette aus Vorhalten und oft schar­fen Dissonanzen; Discurso bedeutet die oft über viele Takte anhaltenden Diminutionen (Sechzehntelläufe), die in allen Stimmen immer wieder ein­gearbeitet sind und ein Gegengewicht bilden zu der ernsten, herben und strengen Tonsprache der Komposition, die an eine Litanei oder ein nicht enden wollendes Gebet erinnert.


Ercole Bernabei (um 1620-1687), war in Rom am Petersdom tätig. 1674 siedelte er nach München über, wo er als Hofkapellmeister bis zu seinem Tode wirkte. Er steht in seiner Kirchenmusik den etwas älteren Meistern Carissimi und Foggia nahe. Die Kantate „Heu me miseram et infelicem“ weist Bernabei als großen Meister dramatischer Kraft aus. Bei formaler Knappheit ist ihm mit der Lamentatio ein expressives Stück gelungen. Das Werk wird durch eine auffahrende Gebärde eröffnet und mündet in ein elegisches Arioso im Dreiertakt.


Annue Christe ist der Hymnus für die Passionszeit, bearbeitet von Jean Titelouze aus Rouen. Die drei Sätze sind gedacht für die Alternatim-Praxis: die 1. Versette mit dem Choral in langen Noten im Baß entspricht der 1. Strophe des Hymnus, die 2. Strophe würde vom Chor gesungen. Bei der 2. Versette handelt es sich um ein Ricercar über Motive der Choral­vorlage, welche der 3. Strophe entspricht. Die 4. Strophe würde dann wie­der vom Chor gesungen, gefolgt vom Amen auf der Orgel. Hierbei handelt es sich um eine Durchführung mit einem Orgelpunkt im Diskant, welcher symbolisch auf das „so soll es sein“ und auf die Ewigkeit hinweist.


François Couperin „le Grand“ (1668 – 1733), in Paris als Mitglied einer berühmten Musikerfamilie geboren, verbrachte dort auch den größten Teil seines Lebens. Ténèbres wurden in den Gottesdiensten am Mittwoch, Donnerstag und Freitag in der Karwoche gesungen, wobei die Kerzen allmählich verlöscht wurden. Ihr feierliches Absingen in einer Aufführung mit Continuo-Begleitung der Orgel war um die Wende zum 18. Jahrhunderts und bis tief in dieses hinein sehr beliebt. Couperins Komposition entstand auf Bestellung eines Nonnenkonvents bei Paris und umfasste ursprünglich die Lesungen für alle drei Tage. Die Leçons de Ténèbres pour le Mercredi ließ Couperin zwischen 1713 und 1717 drucken, sechs weitere Teile sind wohl verloren.

Nur ganz vereinzelt findet die Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts eine Sprache, die an Intensität der Leidenschaft und an Tiefe der Aussage diesen Lamentationen gleichkommt. Couperin verschmilzt in den Leçons de Ténèbres italienische Rezitativtechnik mit dem verfeinerten Kammerstil Frankreichs. Die typischen Verzierungen der Hofmusik haben ihren graziösen Eindruck eingebüßt und sind in einem sonst nicht anzutreffenden Maße eingesetzt, um als organischer Teil der Melodie den expressiven Ausdruck zu steigern.

Die Worte entstammen den Klageliedern des Propheten Jeremia. Die gregorianische Einleitungsmelodie des „Incipit Lamentatio“ wird mit schwärmerischen Koloraturen (reichen Auszierungen mit Figurenwerk und Läufen) erweitert. Rezitative (Sprechgesang) und ariose Formen wechseln mit gefühlvollen ornamentalen Melismen (melodischen Verzierungen) zu den hebräischen Buchstaben des Alphabets, die als Kapitelnummern am Anfang jedes Textabschnittes erscheinen.


Das Tento von Manoel Rodrigue Coelho fällt besonders durch seinen elegischen Charakter auf. Bereits das Eingangsthema mit seinem kleinen Sekundmotiv erscheint wie ein Klagegesang, während das Gegenthema mit einer aufwärts gerichteten Bewegung Hoffnung verdeutlicht. Im Mittelteil wird dies durch mehrere neue Themen variiert, bis ein ausdrucksstarkes Klagemotiv auftritt, welches in den Schlussteil mündet. Dieser steht im Dreiertakt, dem tempus perfectus, Symbol der Dreieinigkeit Gottes.

 

 

Die Sopranistin Mechthild Weber studierte Sologesang bei Maria Helm in Ahrensburg bei Hamburg. Zur Zeit wird sie stimmlich betreut von Wilfried Jochens. Meisterkurse führten sie zu Jessica Cash und Barbara Schlick. Sie arbeitet freiberuflich als Sängerin und ist in zahlreichen Konzerten und Gottesdiensten zu hören gewesen, vorwiegend im nord- und mittel­deutschen Raum. Mit dem NDR entstanden Ende 1999 Life-Aufnahmen eines ihrer Kirchenkonzerte. Kirchenmusik aus barocker und frühbarocker Zeit (Couperin, Purcell, Bach, Händel, Mozart) bildet den Schwerpunkt ihrer Arbeit. Neben der Kirchenmusik widmet sich die Sängerin intensiv dem Liedgesang. Es stehen Kompositionen von Mozart über Schubert, Schumann und Brahms bis hin zu Reger und Richard Strauss auf den Programmen ihrer Liederabende. Mechthild Weber ist auch im Opern­bereich tätig, z. B. an der Essener Oper (B. Britten, Let’s make an opera) und am Theater für Kinder in Hamburg (Mozart, Zauberflöte, Entführung aus dem Serail). Eine CD mit Arien und Liedern von Bach, Händel, Schumann, Strauss, Gershwin u.a. ist gerade erschienen.


Ludger Kassenberg absolvierte seine Orgelausbildung an der Kirchen­musikschule Essen und schloss sein C-Examen für Orgelspiel und Chor­leitung 1976 mit der Note „Sehr gut“. Seitdem ist er Autodidakt. Er stu­dierte Medizin und arbeitet seit mehr als 15 Jahren als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Er erhielt Privatunterricht bei Prof. Ewald Kooimann und nahm Teil an zahlreichen Meisterkurse, z. B. bei Mont­serrat Torrent, Roland Götz, Ludger Lohmann, Harald Vogel, Andreas Bötticher, Jean-Claude Zehnder, Josep Mas i Bonet, Ton Koopman und Guy Bovet. Seine nebenberufliche Konzerttätigkeit auf Orgel und Cembalo führte ihn ins In- und Ausland.