Michael Führer: Erfahrungen mit Clavichorden

Mein Vater sang vor und während des 2. Weltkriegs im Knabenchor der Pfarrkirche mit und der Organist hätte ihm gerne Klavierunterricht gegeben, was aber daran scheiterte, dass seine Eltern weder Geld noch Platz für ein Klavier hatten. Neben der Gregorianik gefiel ihm besonders die altklassische Polyphonie. Nach dem Krieg lernte er im Kammerchor Bach schätzen und als meine Eltern 1950 heirateten, war die erste Anschaffung ein doppelchöriges Clavichord von Wittmayer (die Eltern gaben den Kommentar: Ihr hättet euch zuerst eine Küche kaufen sollen), auf dem meine Mutter, die in Kinderjahren bei ihrem Großvater ein wenig Klavierunterricht gehabt hatte, oft spielte als sie mit mir schwanger war und auf dem mein Vater seinen ersten Unterricht bekam (Foto 5 Wochen vor meiner Geburt).

Allerdings wurde dieses gute Clavichord schon bald eingetauscht gegen ein kleines Cembalo. Da mein Vater nur Musik bis Bach schätzt (Mozart ist ihm zu verspielt und alles weitere zu modern), wuchs ich mit Barockmusik auf. Blockflöte lernte ich von meiner Mutter, war aber sonst zunächst an Island, Geologie, Vulkanismus etc. interessiert und baute gerne Modell-Segelflugzeuge und -Boote. Kurz vor meinem 13. Geburtstag erfüllte ich nach mehreren Versuchen die Bedingung meines Vaters, einen Monat jeden Tag aus einer Klavierschule zu üben und erhielt ersten Unterricht bei einem Klavierlehrer, der ein Cembalo besaß. Kurz danach kaufte mein Vater, der dienstlich oft unterwegs war, ein einchöriges Reiseclavichord, welches ich später mehrere Jahrzehnte in meiner Wohnung nutzte.

Mit 16 Jahren wechselte ich zur Rheinischen Musikschule, wo ich bei Annemarie Bohne Cembalounterricht hatte, oft bei ihr zuhause auf einem excellenten Cembalo von Martin Skowroneck. Sie hatte auch 2 Clavichorde von Rainer Schütze auf denen ich gelegentlich spielte und organisierte jedes Jahr einen Kurs von Gustav Leonhardt, darunter auch einer mit Carl Philipp Emanuel Bach, bei dem auch das große Clavichord benutzt wurde. Als ich 18 war, wurde zuhause das kleine Sperrhake-Cembalo durch ein großes Cembalo von Rainer Schütze ersetzt. Mit Beginn meines Kirchenmusik-Studiums erlaubte mein Vater, dass ich einen Flügel bekam und als ich den ersten Klavierunterricht in der Musikhochschule bekam, begann ich gleichzeitig bei Nachbarn Klavierunterricht zu geben. Bei Besuchen bei Rainer Schütze unterhielt ich mich oft mit ihm über Cembalo- und Clavichordbau und spielte auf seinen Instrumenten. Mit 22 besuchte ich oft das musikwissenschaftliche Institut der Kölner Universität und spielte gerne auf dem Pedalchlavichord nach Gerstenberg in der dortigen Instrumentensammlung. Von 1973 bis 1983 besuchte ich regelmäßig die Sommerakademie für Alte Musik in Innsbruck und die Cembaloausstellungen in Brugge und in Herne, wobei ich auch viele sehr gute Clavichorde spielte und Instrumentenbauer wie z.B. Jean Tournay kennenlernte. Ich spielte auch etliche Male bei Cembalo- und Orgelwettbewerben mit.

Ab 1976 baute ich selbst mehrere Cembali und Virginale. Auch besuchte ich etliche Museen und vermaß manche Instrumente, z.B. Silbermanns Clavichord in Nürnberg. 1979 bekam ich über die Fernleihe der Universität die Doktorarbeit von Hubert Henkel (600 Seiten Blaukopien). Als ich 1980 und 1984 zum Bach-Wettbewerb nach Leipzig fuhr, traf ich Henkel persönlich und konnte viele historische Clavichorde in der dortigen Sammlung spielen. Ab 1980 reparierte ich auch etliche alte Tasteninstrumente, darunter ein über 2 Meter großes 6-oktaviges Clavichord von Krämer (Anfang 19. JH.), sowie mehrere kleine anonyme deutsche Clavichorde aus dem 18. Jh.. Für die Anfertigung umsponnener Saiten baute ich mir eine elektrisch angetriebene lange Achse und korrespondierte mit mehreren FoMRIH-Mitarbeitern. 1982 fand ich beim Restaurieren eines Clavichordes von Hubert auf der Innenseite des Deckels des Fachs für den Stimmschlüssel seine Saitennummern. In Brugge betreute ich 1983 in der Ausstellung die einzigen alten Instrumente, darunter eins der anonymen deutschen Clavichorde.

Im Rahmen einer Tagung der Düsseldorfer Musikhochschule 1991 in Leipzig führte ich etliche Instrumente, besonders auch die guten Clavichorde des 15. und 18. Jh. dort vor. Als meine Schwägerin 1993 ein Clavichord haben wollte, besorgte ich 3 Instrumente zur Auswahl: eines nach spanischem Vorbild, mit geradem Steg, ein weiteres kurzoktaviges aus einem Bausatz von Carl Fudge, sowie ein ungebundenes 4-oktaviges aus einem Heugel-Bausatz. Letzteres besitzt sie noch heute und ich habe es mir gelegentlich ausgeliehen, weil es mit 10kg leicht auf Reisen mitzunehmen ist. 1994 restaurierte ich ein 5-oktaviges gebundenes von Schiedmayer, auf dem ich Cembalostücke von Duphly aufnahm. 2003 war ich an meinem Geburtstag im Musikinstrumentenmuseum in Berlin und spielte u.a. Clavichorde von Hubert, Horn und Silbermann. - Ein Freund besitzt 2 alte kurzoktavige Clavichorde, sowie ein deutsches Clavichord (18.Jh., C-f3) mit zusätzlicher Hammermechanik. Manchmal bekommt er von mir Unterricht und auch sonst spiele ich seine Instrumente gerne.

Lange hatte ich die Idee, nach meiner Pensionierung auf Weltumsegelung zu gehen. Dafür suchte ich ein stabiles Clavichord mit 63 Tasten (FF-g3) und freute mich, als mein Freund Marc Champollion mir ein solches, von Rainer Schütze 1967 gebaut, günstig vermittelte. Ich ließ mir sogar noch Midi-Kontakte einbauen (sie funktionieren gut, wenn ich damit ein Keyboard ansteuere, aber wenn ich damit Computerprogramme wie Hauptwerk nutzen will, ist mir die Latenz zu groß, so dass ich sie nur sehr selten benutzt habe - falls ein Leser dafür eine Lösung kennt wäre ich für Ratschläge dankbar). Wie in meinem Reisebericht zu lesen ist, habe ich es oft und gerne auf meinem Segelboot benutzt, was zunächst gut funktionierte. Als ich aber das Boot in Panama 3 Wochen verschlossen in einer Marina ließ, als ich mit meiner Tochter nach Peru flog, wurde es im Boot zu feucht und zu heiß, so dass sich der Steg über mehrere Oktaven löste und der Resonanzboden Risse bekam. Ich benutzte das Instrument auch in den folgenden Monaten, musste aber die Tangenten mehrmals an die wandernden Saiten anpassen. Als das Boot nach 11 Monaten strandete, befand sich das Clavichord nicht an Bord, da ich es reparieren wollte. Nachdem es zurück nach Neuss transportiert worden war, leimte ich Resonanzboden und Steg und es funktioniert wieder wie vorher. Über diese Reise berichtete ich mehrmals mit Videos und Fotos unter dem Titel: "Mit Clavichord über den Atlantik" - ich habe bisher zwar von einem Kölner gehört, der mit einem moderneren Clavichord Afrika bereist hat, aber noch von keiner anderen Seereise mit Clavichord.

In den letzten Jahren bin ich normaler gereist, nehme aber auch dabei gerne Gelegenheiten wahr, auf guten Tasteninstrumenten zu spielen. Clavichorde spielte ich dabei in Auckland (Early Music Studio der University) und in Dallas, wo ich ein excellentes 5-oktaviges Clavichord fand, gebaut 1906 von Chickering & Sons in Boston "under the direction of Arnold Dolmetsch". Wenn ich in Europa verreise nehme ich oft das Schütze-Clavichord zum Üben mit.